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Donnerstag, 9. Mai 2019

„Wir sagen Danke.“ | EDEKA Online-Spot



        An Geschmacklosigkeit 

                         nicht mehr zu überbieten! 

  Hier sollte man nicht nur nicht mehr einkaufen, 

             sondern diesen "Laden" verklagen! 

                       Schlimmer geht Nimmer!


Jürgen Fritz über Edeka-Werbespot: „Nein danke! Es gibt auch Aldi, Lidl, Rewe …“

Von 9. Mai 2019 Aktualisiert: 9. Mai 2019 10:14

Ein Werbespot von Edeka sorgt für Aufregung: "Danke Mama, dass du nicht Papa bist", heißt es darin. Gastautor Jürgen Fritz erläutert seine Sicht auf den Spot.


                


"Danke Mama, dass du nicht Papa bist".Foto: Screenshot/Edeka-Werbespot
Ich persönlich habe bisher sowie so gut wie nie bei Edeka eingekauft. Die Preise schienen mir immer völlig überhöht und einen besonderen Charme vermochte ich, anders als in den Werbespots dargestellt, in den Läden bislang nicht zu entdecken. Nun geht ja weniger als null einkaufen nicht, so dass ich mein diesbezügliches Verhalten schwerlich ändern kann. Aber vielleicht haben Sie ja Lust, Ihr Kaufverhalten zu ändern, wenn Sie diesen Werbespot gesehen und diesen Text gelesen haben.

Der Rassismus gegen weiße Männer

„Ach,was soll denn die ganze Aufregung“, mögen einige meinen. „Hier werden doch nur auf ironische Weise Väter ein wenig auf den Arm genommen, das aber ja bloß zu dem guten Zweck, die Mütter zum Muttertag auf eine witzige Weise zu würdigen.“ Eine solche Sichtweise scheint mir hier vollkommen verfehlt. Weshalb?
Nun, stellen Sie sich zunächst einfach vor, man würde einen vergleichbaren, genauer: einen sehr ähnlichen Werbespot nicht über völlig unfähige, ungepflegte, unkultivierte, hässliche, unappetitliche Männer, sondern über völlig unfähige, ungepflegte, unkultivierte, hässliche, unappetitliche Frauen oder Kinder, über Schwarze oder Araber machen und der Schlussatz würde nicht lauten „Danke Mama, dass du nicht Papa bist“, sondern beispielsweise „Danke Papa, dass du kein Schwuler bist“ oder „Danke Papa, dass du kein Schwarzer (Araber, Muslim, Hindu …) bist“. Merken Sie, wie sich jetzt innerlich alles in einem zusammensitzt. Wir spüren sofort intuitiv, jedenfalls die meisten von uns: „Das geht nicht! Das kann man nicht machen.“
Warum kann man es über weiße Männer machen? Und damit sind wir bereits mitten drin im Thema, dem größten Rassismus, den wir derzeit in der Welt erleben, dem Rassismus gegen weiße Männer.

Das Töten beginnt lange schon vor dem eigentlichen Töten

Wir erinnern uns an Jean-Paul Satres Vorwort zu dem 1961 erschienenen Schlüsselwerk des Antikolonialismus „Die Verdammten dieser Erde“ von Frantz Fanon, dem schwarzen, auf Martinique geborenen französischen Psychiater:
Denn in der ersten Zeit des Aufstands muss getötet werden: Einen Europäer erschlagen heißt zwei Fliegen auf einmal treffen, nämlich gleichzeitig einen Unterdrücker und einen Unterdrückten aus der Welt schaffen. Was übrigbleibt, ist ein toter Mensch und ein freier Mensch.“
Das Töten (hier: der Europäer) beginnt meist mit Worten, mit Bildern, mit Witzen, mit Herabwürdigungen, mit Stimmungsmache, die dann irgendwann Eingang findet in mehr oder weniger harmlos wirkende Werbespots. Sie sind aber alles andere als harmlos. Sie sind bösartig, infam, zerstörerisch. Das Töten beginnt lange schon vor dem eigentlichen Töten und das Töten kann schließlich zu einer Selbstzerstörung der gesamten eigenen Kultur werden. Fanon und Sartre haben den Feind gekennzeichnet, den es überall in der Welt zu bekämpfen gilt Sartre war kein Schwarzer, kein Araber, keine Frau, er war ein Weißer, ein weißer Mann, sein Rassismus war ein Auto- oder inverser Rassismus. Er war ein Franzose, ein französischer Intellektueller, vielleicht der wichtigste solche des gesamten 20. Jahrhunderts. Sartre war Romancier, Dramatiker und – Philosoph. Und niemand beeinflusst das Denken, Fühlen und Urteilen der Zeitgenossen und der Nachwelt wohl mehr als Schriftsteller und Philosophen.
Sartre hat viel Einfluss genommen. Fanon und Sartre. Sie haben den Feind gekennzeichnet, gegen den es überall in der Welt anzugehen gelte: den weißen Mann, den großen Unterdrücker. Den Unterdrücker der weißen Frau, den Unterdrücker der Schwarzen, Gelben und Braunen, der für alles Übel der Welt primär Verantwortung trage. Man müsse nur den weißen Mann bekämpfen, dann, ja dann werde die Welt bald schon eine viel bessere sein.
Wie absurd und primitiv solche Vorstellungen sind, muss hier wohl nicht eigens betont und erläutert werden. Dieses absurde und primitive Sündenbockdenken in neuem Gewand hat in den letzten Jahrzehnten aber überall um sich gegriffen – in Afrika, in der arabisch-islamischen Welt, vor allem aber in der abendländischen Welt selbst. Abendländer wollen keine solche mehr sein, das Wort schon wird immer mehr gescheut, sie wollen Menschen sein. Sonst nichts. Nur Menschen. Ohne jegliche Differenzierung. Ohne alle Unterschiede. Ohne Grenzen. Einfach nur Menschen. Aber keine weißen Menschen, zumindest keine weißen Männer. Denn die stehen irgendwie außerhalb.
Es gibt nicht nur Edeka, es gibt auch Lidl, Rewe, Aldi, Metro, Real, Globus …
Und weil sie irgendwie außerhalb stehen, darf man über sie auch solche dämlichen, bösartigen, infamen Werbespots machen wie den hier von Jung von Matt für Edeka produzierten. Werbespots, die die weißen Männer nicht nur vollkommen herabwürdigen, sondern die zugleich zeigen, wie tief diese völlig verquerte Denke längst überall hineingekrochen ist in die Tiefenschichten unserer Seelen. Werbespots, die diese Denke helfen zusätzlich zu verstärken und noch tiefer in unser Innerstes versenken und dort verfestigen.
Wenn Sie nicht helfen wollen, bei dieser Verfestigung auch noch mitzuwirken respektive diese zu finanzieren und damit zu unterstützen, wenn sie diese Menschenfeindlichkeit und diesen Auto-Rassismus nicht honorieren wollen, dann haben Sie die Möglichkeit, dies zu tun. Denn das liegt in unserer Macht als Konsumenten, dass wir selbst bestimmen können, wo wir einkaufen wollen. Es gibt nicht nur Edeka. Es gibt auch Lidl, Rewe, Aldi, Metro, Real, Globus …

          

 Erbärmliche Väter, boshafte Mütter und masturbierende Kinder

„Man tau – Beiträge zur Zivilgesellschaft“, das die eigentliche Stoßrichtung des Werbespots zwar nicht erfasst hat, weil der große Bogen nicht gesehen wird, unter dem dies einzuordnen ist, das aber in der Detailanalyse sehr gut ist, analysiert den Spot hier ausführlich und kommt zu dem Schluss:
„In der überraschend offenen Verachtung für Väter (genauer: weißer Väter, denn anders als in der Bahnwerbung wird hier kein einziger dunkelhäutiger Mann gezeigt, das ist kein Zufall!, JFB), die Edeka damit vorführt, lässt sich leicht übersehen, dass das Bild, das der Spot von Frauen entwirft, eher noch schlimmer ist. Denn offenkundig richtet sich diese Muttertagswerbung vorwiegend an Frauen, die ja schließlich auch den größten Teil der Kaufentscheidungen treffen – so wie sich die Kinder im Off an die Mütter, nicht an die Väter richten. Aus der Art und Weise, wie wir jemanden ansprechen, lässt sich wiederum auf das Bild schließen, das wir von diesem Menschen haben.
Edeka/Jung v. Matt kalkulieren offenbar damit, dass ein Dank an Mütter bei ihnen besser ankommt, wenn zugleich Väter lächerlich gemacht und abgewertet werden. Der Werbespot zielt so offen auf tiefe Ressentiments … Seine Macher müssen, wenn sie sich Erfolg erhoffen, davon ausgehen, dass einem Großteil der Mütter die Abwertung der Väter wichtiger ist als die eigene Aufwertung: denn mit Ausnahme der wenigen letzten Sekunden kreist dieser ganze Muttertags-Spot schließlich ausschließlich um Väter.
Edeka und Jung von Matt produzieren damit ein vernichtendes Frauenbild: ein Bild unziviler, gehässiger Menschen, denen die Herabwürdigung anderer wichtiger ist als der eigene Erfolg – oder die sich gar nur dann wirklich erfolgreich fühlen können, wenn andere zugleich lächerlich gemacht werden. (…)
Die Kinder, denen hier Wörter in den Mund gelegt werden, dienen zudem bloß als Sprachrohre der Geschlechterklischees und Ressentiments Erwachsener. Von den Spannungen, in die sie durch diese Klischees versetzt werden müssen, ist nichts zu spüren. Ihre Perspektive ist den Machern völlig gleichgültig. Dass hier eine scheinhafte Kinderperspektive eingenommen wird, erfüllt lediglich die Funktion, Legitimationsfragen ausweichen zu können – denn wenn Erwachsene so massive Ressentiments formulieren würden, wie es hier scheinbar Kinder tun, dann würden wir zwingend erwarten, dass sie sich dafür rechtfertigen.
Wie unwichtig den Machern die Kinderperspektive tatsächlich ist, zeigt sich spätestens in einer Szene, in der ein Vater ein Zimmer betritt, während dort sein jugendlicher Sohn mit heruntergezogener Hose und mit dem Laptop auf dem Schoß auf dem Bett sitzt und masturbiert. „Du hast ein Gefühl für den richtigen Moment.“ Lächerlich wirkt hier nicht der Vater, sondern der Sohn – aber die Macher fanden diese abermals klischeebeladene Szene wohl so witzig, dass sie nicht auf sie verzichten wollten. Wie aber ist es möglich, dass sich ein großes Unternehmen offenbar Profite davon verspricht, wenn es rundweg seine gesamte Kundschaft verachtungsvoll präsentiert?

Menschenfeindlichkeit als Investition

(…) Dieser kurze Exkurs zur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist wichtig, weil ohne solche Haltungen nicht zu erklären ist, wie die Macher des Werbespots auf die Idee kommen konnten, solch ein Film würde gewinnbringend sein. (…) Dass die Werber sich vieles davon versprechen, diese Feindseligkeit ausgerechnet gegen Väter (weiße Männer) zu richten, ist daher kein Zufall. Einerseits sind Väter (weiße Männer, JFB) tatsächlich keineswegs in einer starken Position. Noch vor wenigen Jahren konnte die deutsche Gesetzgebung, die Vätern fast keine eigenständigen Rechte zubilligte, erst auf Intervention des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte leicht verbessert werden. Institutionell und rechtlich sind Väter noch immer weit von gleichen Rechten entfernt.
In den Klischees politischer Diskurse aber sind Väter (weiße Männer, JFB) mächtig, rücksichtslos, egoistisch – und das gilt ausgerechnet besonders stark für Diskurse von Menschen, die sich selbst für progressiv, informiert und emanzipiert halten. Während Väter (weiße Männer, JFB) einerseits also nicht die Position haben, um eine ernsthafte Gegenwehr organisieren oder auf politischen Beistand hoffen zu können, erscheinen sie andererseits als so mächtig, dass auch offen gehässige Angriffe auf sie als harmlos dastehen. (…)
Denn natürlich geht es dort nicht um Beiträge zum demokratischen Diskurs und auch nicht um Dienst am Gemeinwohl, sondern um Kalküle, wie Mittel effizient eingesetzt werden können, um einen persönlichen Nutzen zu steigern. Die Verantwortlichen von Edeka und Jung von Matt sind nicht notwendigerweise Menschenfeinde – sie kalkulieren lediglich durchaus zynisch damit, dass aus Menschenfeindlichkeit Kapital zu schlagen ist. Das ist auch deswegen beunruhigend, weil dieses Kalkül nicht irre und abwegig ist und weil wir davon ausgehen können, dass die Verantwortlichen nicht aus Wut handeln, sondern ruhig gerechnet haben und zu der Überzeugung gekommen sind, dass der Einsatz von Menschenfeindlichkeit sich rentieren wird.
Es ist wichtig, dass dieses Kalkül sich als falsch erweist. Ich werde daher tatsächlich in aller Ruhe, auch wenn ich mir dabei vermutlich blöd vorkommen werde, dem Geschäftsführer des kleinen Edeka bei mir um die Ecke erklären, warum ich bei ihm nichts mehr einkaufen will. Denn wenn das Kalkül von Edeka und Jung von Matt Erfolg hat, dann wird es auch für andere ein Signal sein, dass es sich lohnt, Feindseligkeit gegen einzelne Menschen und Menschengruppen (genauer: gegen Weiße, denn gegen andere Gruppen wird sich Ähnliches niemand wagen, JFB) zu kultivieren und zu bewerben.“
Im Original erschienen bei Jürgen Fritz.

Euer ERFRIBENDER