Das Urteil des Top-Juristen
ist eindeutig
HoPe, [22.04.21
07:26]
Können
die Bundesverfassungsrichter den Bundes-Lockdown (Kontaktverbote,
Ausgangssperren, Laden- und Schulschließungen) noch stoppen?
Die erste
Verfassungsbeschwerde für die Richter in Karlsruhe ist bereits in Arbeit. BILD
liegt der 47 Seiten starke Entwurf vor, geschrieben von einem der
renommiertesten Staatsrechts-Experten: Prof. Dietrich Murswiek (72, Uni
Freiburg).
Das
Urteil des Top-Juristen ist eindeutig: Sowohl die Kontaktbeschränkungen in der
Familie als auch die Ausgangssperre zwischen 22 und 5 Uhr früh "verletzen
die Grundrechte" der Bürger über das gebotene Maß hinaus und sind daher "unverhältnismäßig“
und "verfassungswidrig".
Dies
gelte auch für die geplanten Schließungen in der Außengastronomie, im
Einzelhandel und bei Bussen und Bahnen, so Murswiek.
Der
Gesetzgeber habe nicht dargestellt, dass die Maßnahmen zwingend und
alternativlos seien, argumentiert der Staatsrechtsexperte.
Totalschließung
der Außengastronomie „unangemessen“
Beispiel
Außengastronomie: Gastwirte könnten „Tische für mehrere Personen auf Personen
aus einem Haushalt beziehungsweise auf Gruppen beschränken“, die sich laut
Kontaktbeschränkungen „sogar in geschlossenen Räumen treffen dürfen. Wenn dann
noch zusätzlich ein negativer Test verlangt wird, dürfte das verbleibende
Risiko zur völligen Bedeutungslosigkeit minimiert sein.“
Murswieks
Fazit: „Eine totale Schließung der Außengastronomie ist zur Vermeidung einer Überlastung
der Intensivstationen nicht erforderlich, zumindest aber unangemessen, und
verstößt daher gegen die Grundrechte der Betroffenen.“
Scharfe
Kritik an Ausgangssperren
Hier fällt
Murswiek sein härtestes Urteil: „Die Ausgangssperre ist ein Schuss ins Blaue.“ Der
Gesetzgeber habe „offensichtlich keine konkrete Abwägung vorgenommen, sondern
sich mit allgemeinen Behauptungen und Vermutungen begnügt.“ Er ordne „eine
drakonische Maßnahme an in der Hoffnung, dass sie für die Pandemiebekämpfung
etwas bringt. Das reicht zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs nicht aus.“
Murswiek:
„Die Gefahr einer Infektion beim Fußweg durch die nachts nahezu menschenleere
Stadt tendiert gegen Null. Erst recht wird man auf dem Lande nach 22 Uhr und
erst recht nach Mitternacht draußen nicht in dichtes Menschengedränge geraten,
sondern praktisch keinem Menschen begegnen.“ Und weiter: „Dass es zu einer
Infektion bei einer Begegnung im Treppenhaus nach Verlassen der Wohnung kommen
könne, ist eine an den Haaren herbeigezogene Konstruktion, aber keine
epidemiologisch relevante Gefahr.“
Problematisch
seien allenfalls Treffen „von Jugendlichen, die – vielleicht mit Alkohol und
ohne Masken – draußen ‚feiern‘. Solche Zusammenkünfte sind aber ohnehin
verboten. Einer Ausgangssperre bedarf es dafür nicht.“ Die Ausgangssperren
dienten also „allein dem Zweck, der Polizei die Arbeit zu erleichtern. Millionen
von Menschen sollen nach dem Gesetz schwerwiegende Freiheitseinschränkungen
hinnehmen, weil es wenige Menschen gibt, die sich nicht an die Kontaktbeschränkungen
halten und die Polizei dies nicht hinreichend kontrollieren kann oder nicht
kontrollieren will.“
Inzidenzwerte
verfassungswidrig
Hier
kritisiert Murswiek gleich mehrere Punkte: Zum einen greift er die Zahlen des
Robert-Koch-Instituts als „Auslöser“ des automatischen Bundes-Lockdowns an: „Die
vom RKI ermittelte Inzidenz ist also sehr stark abhängig von der jeweils
verfolgten Teststrategie“, so Murswiek: „Insgesamt hängt die Zahl der dem RKI
gemeldeten neuen Fälle und damit die Entwicklung der Inzidenz im Sinne des RKI
von der Zahl der PCR-Tests ab. Je mehr PCR-Tests durchgeführt werden, desto
mehr positive Ergebnisse in absoluten Zahlen und auch in Relation zur Bevölkerung
(Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner) wird man finden. Würde man umgekehrt
wesentlich weniger testen, sänke automatisch die vom RKI ermittelte Inzidenz.“ Diese
Umstände würden jedoch „vom RKI in die Ermittlung der Inzidenz nicht einbezogen“.
Zudem müsse in die Bewertung der Infektionsgefahr auch die Lage der
Intensivstationen und der Zahl der beatmeten Patienten einbezogen werden.
HoPe, [22.04.21
07:26]
Zum
anderen mahnt Murswiek, dass die Inzidenzwerte ganzer Landkreise ein zu grobes
Schema sei, um den Lockdown auszulösen: „Die Betrachtung eines Land- oder
Stadtkreises kann zu kurz greifen. Sind in den Nachbarkreisen die Inzidenzen
viel niedriger, ist die Situation in dem betreffenden Kreis weniger gefährlich
als der dortige Inzidenzwert anzeigt. Sind umgekehrt die Inzidenzen in den
umliegenden Kreisen viel höher, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich in
dem betreffenden Kreis eine höhere Infektionsdynamik entwickelt, größer als es
der Inzidenzwert vermuten lässt.“ Murswieks Urteil: „Diese Steuerung der Corona-Maßnahmen
allein anhand der Inzidenzwerte ist mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip
unvereinbar und daher verfassungswidrig.“
Kommunen
werden drangsaliert
Murswiek
moniert, dass Bund, Länder, Bürgermeister oder Landräte durch den Automatismus
der Lockdown-Logik (ab Inzidenz 100) zum „Exekutivorgan“ degradiert werden,
weil sie Maßnahmen NICHT mehr auf ihren Sinn vor Ort prüfen können: „Das Gesetz
lässt zwar strengere Regelungen der Länder zu (§ 28b Abs. 4 IfSG), aber nicht
mildere Regelungen für den Fall, dass in einem Landkreis trotz hoher
Inzidenzwerte eindeutig keine Gefahr für die Überlastung der Intensivstationen
besteht.“
Es sei
jedoch möglich, „dass z.B. in einer Stadt sich ein sehr dynamisches
Infektionsgeschehen entwickelt, das verschärfte Eindämmungsmaßnahmen
erforderlich macht“, während im Rest eines betroffenen Landkreises „es auf dem
flachen Land niedrige Inzidenzen und keine Probleme gibt. Dann ist es nicht
erforderlich, die verschärften Maßnahmen für den ganzen Landkreis anzuordnen.“
Murswiek:
„Das Gesetz ist daher insoweit verfassungswidrig, als es keine Abweichung vom
gesetzlichen Schema zulässt, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt
oder in einem Teil eines Landkreises trotz Überschreitung des Schwellenwertes
keine Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems besteht.“
Hoffnung
auf schnelle Entscheidung
Einreichen
wollen der SPD-Angeordnete Florian Post und sein Anwalt die
Verfassungsbeschwerde, sobald das Gesetz den Bundesrat passiert hat und vom
Bundespräsidenten unterschrieben wurde – nach der bisherigen Planung soll das
spätestens am Freitag geschehen.
Wie
schnell die Verfassungsrichter dann urteilen, steht noch nicht fest. Post zu
BILD: „Wir werden in jedem Fall einen Eilantrag stellen.“
Dieser
wird in vergleichbaren Fällen binnen weniger Tage entschieden …
Euer ERFRIBENDER