EROBERN DIE ZAPATISTAS
JETZT EUROPA?
Marco
Polo, [27.07.21 07:56]
🌍🕊⭐️Sehr geehrte Leser*innen, geschätzte Compañeras, Compañeros,
Compañeroas, liebe Leute⭐️🕊🌎
Das ist
der erste Newsletter von zapalotta.org, der ausführlich erklärt, was es mit dem
Besuch der Zapatistas in Europa auf sich hat.
Wir
freuen uns über rege Weiterempfehlung, um Sie/Euch ein- bis zweimal im Monat
auf dem Laufenden zu halten.
Mit
herzlichen Grüßen
die
deutschsprachigen Zapalottas
Abonniert
diesen Newsletter für regelmäßige Informationen über den aktuellen Stand der »Reise
für das Leben« und die Planungen zu den Begegnungen und Gesprächen in Österreich.
EROBERN
DIE ZAPATISTAS JETZT EUROPA?
Die aufständischen
Zapatistas aus dem Südosten Mexikos bereisen diesen Sommer und Herbst Europa,
um all jenen zuzuhören, die hierzulande für ein gutes Leben für alle kämpfen. Um
diesen freundlichen und erfreulichen Besuch gut vorzubereiten, hat sich ein
Netzwerk von zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen von links und von unten
gebildet, und wir planen Meetings, Gespräche, Veranstaltungen, gemeinsame
Wanderungen, Filmvorführungen, Ausstellungen und vieles mehr in ganz Österreich
abzuhalten. Wir sind ein offenes Forum, in dem Mitarbeit, Ideen, Vorschläge und
Beiträge herzlich willkommen sind. Links, Infos und Möglichkeiten, um sich
einzubringen finden sich hier.
Die
ersten Zapatistas sind schon über den Atlantik gesegelt
Die
Vorhut der Aufständischen, das sogenannte Geschwader 421 ist Ende Juni im Hafen
von Vigo in Spanien an Land gegangen. Die vier Frauen, zwei Männer und eine
diverse Person der zapatistischen Befreiungsbewegung haben bei der Gelegenheit
Europa einen neuen Namen gegeben, und es heißt nun Slumil K’ajxemk’op, was in
Batz’il K’op, der Sprache der Maya-Tzeltal so viel bedeutet wie das Land der
Unbeugsamen, Unverzagten und Unnachgiebigen. Diese sieben Zapatistas sind erst
der Vorgeschmack auf eine viel, viel größere Gruppe von indigenen Aktivistinnen
aus ganz Mexiko, die wir jeden Augenblick in Europa erwarten. Diese Delegation
besteht zu 2/3 aus indigenen Frauen, denen kaum eine zuvor auch nur in einer
der chiapanekischen Bezirkshauptstädte gewesen ist, geschweige denn in Mexiko-City.
Die meisten gehören der rebellischen Bewegung der Zapatistas an, manche dem
Indigenen Nationalkongress und wieder andere einer Gruppe von
Umweltaktivistinnen zur Verteidigung der Erde. Sie kommen, um uns, 500 Jahre
nachdem am 13. August 1521 die europäischen Invasoren die Stadt Tenochtitlán – das
heutige Mexiko City – zerstört haben, einen freundlicheren Gegenbesuch
abzustatten. Und wenn sie diesen Gegenbesuch auch manchmal als »Invasion« bezeichnen,
so meinen sie das in keiner Weise zerstörerisch, denn sie sagen, dass sie eine
Invasion des Widerstands, der Freude und der Solidarität im Sinn haben.
WARUM
SIND EIGENTLICH NICHT SCHON ALLE DA?
Die Gründe
dafür, dass die mehr als 160 Zapatistas, die sich in Mexiko auf ihre Reise
vorbereitet haben, nicht schon längst wie geplant in Paris landen konnten,
haben auch mit den Gründen für ihren Aufstand um Würde und Anerkennung zu tun: Zuerst
hat der institutionelle Rassismus der mexikanischen Behörden dazu geführt, dass
nach einem halben Jahr Wartezeit noch immer nicht alle beantragten Reisepässe
ausgestellt wurden. Und jetzt sorgt die gesundheitspolizeiliche Diskriminierung
der Europäischen Union dafür, dass diejenigen, die ihre Pässe endlich bekommen
haben, ohne vollständige Impfung mit EU-anerkannten Vakzinen nicht hereingelassen
werden. Dass die ganze Delegation bereits einmal geimpft wurde, lassen die Behörden
nicht gelten; dass sie seit mehr als einem Monat in freiwilliger Quarantäne
sind, lassen die Behörden auch nicht gelten; und dass sie negative PCR-Tests
vorweisen können, lassen die Behörden schon gar nicht gelten. Das hat längst
nichts mehr mit Gesundheitsvorsorge zu tun und auch nichts mit Panik vor der
Pandemie, denn tagtäglich reisen unzählige Geschäftsleute und Celebrities mit
Ausnahmeregelungen aufgrund von gesetzlich vorgesehenen „wichtigen Gründen“ ein.
Marco
Polo, [27.07.21 07:56]
Aber auch
für die Ankunft der Zapatistas gibt es eine ganze Reihe wichtiger Gründe,
unaufschiebbar wichtiger Gründe: sie bringen die Saat der Geschwisterlichkeit
mit, sie bringen ihre Erfahrungen im antikapitalistischen Widerstand mit, und
sie bringen ihr offenes Herz zum gleichberechtigten Austausch mit, und wir
bestehen darauf, dass diese wichtigen Gründe endlich anerkannt werden!
27 JAHRE
AUFSTAND, 37JAHRE VORBEREITUNG, UND ÜBER 500 JAHRE WIDERSTAND
Am 1. Jänner
1994, als nach dem Zusammenbruch der staatssozialistischen Länder die
kapitalistische Globalisierung endgültig für alternativlos erklärt worden war,
sind die Zapatistas mit Schimützen und Holzgewehren aus dem Regenwald
herausgekommen und haben die Welt daran erinnert, dass es überall widerständige
Menschen gibt, die nicht bereit sind, ihre überlieferten (indigenen) Lebensformen
gegen einen paternalistischen Anteil an Konsumgütern einzutauschen. Sie haben
erklärt, dass sie das Ergebnis von mehr als 500 Jahren Widerstand gegen
Eroberung, Plünderung, Grausamkeit, Sklaverei, Kolonialismus, Kapitalismus und
Umweltzerstörung sind, und fest dazu entschlossen, ihren alten und berechtigten
Forderungen nach Würde und Anerkennung mit Worten und Waffen Nachdruck zu
verleihen. Seither organisieren sie sich in selbstbestimmten Räteregierungen,
sie verwalten ihre aufständischen Territorien basisdemokratisch, bauen
gemeinsam Schulen, Theater und Krankenhäuser, halten eine unabhängige Rechtsprechung
aufrecht, und laden mit großer Regelmäßigkeit die Zivilgesellschaft der ganzen
Welt zu sich ein, um gemeinsam Wissen und Fähigkeiten, Künste und Fertigkeiten,
Träume und Widerständigkeiten zu vermehren, um eine Welt zu schaffen, in der
viele Welten Platz haben. Sie vertreten keine Ideologie, aber sie haben eine
Methode, und die besteht darin, fragend voranzukommen und gehorchend zu
befehlen. Dabei sind sie ständig von staatlicher und paramilitärischer Gewalt
bedroht, mit der ihre Errungenschaften zerstört werden sollen, von
Infrastrukturprojekten bedrängt, die sie aus ihren Gebieten vertreiben wollen,
und mit Rassismus und Verachtung konfrontiert, durch die ihre Existenz
vergessen gemacht werden soll. Vor 37 Jahren hatten sie sich klandestin im Regenwald
organisiert, vor 27 Jahren haben sie sich dem Lauf der verkehrten Welt mit
einem lautstarken »Es reicht!« entgegengestellt, und seit ein paar Wochen sind
die ersten 7 von ihnen bei ihrer »Reise für das Leben« in Europa angekommen.
WAS
WOLLEN SIE AUSGERECHNET BEI UNS❓
In ihrer
Europareise, dem ersten Teil ihrer weltumspannenden »Reise für das Leben« geht
es den Zapatistas darum, dem Europa von unten und von links zuzuhören, uns mit
Fragen zu löchern, Albträume und natürlich auch Träume miteinander zu teilen. Sie
wollen wissen, wer denn diejenigen sind, die hier gegen die gleichen globalen
Windmühlen kämpfen wie sie, welche Wege wir in Europa beschreiten, um die Welt
zu retten, die Klimakatastrophe zu verhindern, den Kapitalismus zu besiegen,
den Frauenmorden ein Ende zu setzen und eine gemeinsame solidarische
Weltgesellschaft aufzubauen. Ihre wichtigsten Ziele sind sicherlich keine
Massenveranstaltungen (obwohl sie diese auch nicht ausschließen), sondern der
Austausch von Geschichten, Wissen, Gefühlen, Werten, Herausforderungen,
Misserfolgen und Erfolgen. Die Zapatistas sagen, sie wollen ihr Wissen, ihre
Erkenntnis und Erfahrung mit Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen,
Philosophinnen austauschen und ins Gespräch einbringen. Aber sie wollen nicht
nur mit den kritischen Beobachterinnen dieser Welt reden, sondern vor allem mit
all denen, die in ihrem Alltag kämpfen und sich gegen das bestehende und das
noch kommende Unheil zusammentun. Denn, so sagen die Zapatistas, es geht ihnen
vor allem um die Einschätzung und Analyse all derer, die ihre eigene Haut im
Kampf gegen die warenproduzierende Maschinerie riskieren, die im Begriff ist,
den Planeten selbst zu verschlingen.
Marco
Polo, [27.07.21 07:56]
Sie
kommen, kurz gesagt, um zu reden und all denen zuzuhören, die dazu bereit sind,
und sie kümmern sich dabei nicht um Geschlechter, Religionen, Ethnien,
Hautfarben, Nasengrößen oder politische Mitgliedschaften.
WELTWEITER
WIDERSTAND IST KEINE EINBAHNSTRASSE!
Wie viele
Delegationen, Brigaden, Kollektive und Einzelkämpferinnen sind in den letzten
Jahren und Jahrzehnten von Europa aus nach Cuba, Nicaragua, Kolumbien oder
Chiapas gefahren, um von den revolutionären Bewegungen zu lernen, sie zu
unterstützen, und das Netzwerk des Widerstands ein Stück weit zu vergrößern. Auch
wenn es noch so gut gemeint, gedacht und gemacht war, am Ende sind doch immer
viel mehr Europäerinnen nach Abya Yala gefahren, als es Indigene nach Europa
verschlagen hätte, und eine Delegation von mehr als 160 indigenen Rebell*innen
ist hierzulande noch nie empfangen worden. Und dabei geht es um sehr viel mehr
als um die internationale, oder transnationale, oder antinationale, oder wie-auch-immer-rationale
Solidarität – es geht nämlich längst ums Überleben von uns allen und des ganzen
Planeten. Denn die drohende Katastrophe betrifft nicht einfach diese Europäer
oder jene Indigene, der gegenwärtige Untergang gilt nicht diesem System oder
jener Weltanschauung, sondern er betrifft die ganze Welt, vollständig und
ausnahmslos, von den Zentren der Macht bis in die abgelegensten und unzugänglichsten
Winkel. Das große Problem besteht darin, dass unser Planet bereits ein riesiger
Trümmerhaufen ist, ein echter Albtraum, ein greifbarer Schrecken mit
vergifteten Gebirgen und vermüllten Meeren. Selbst das mediale Leichentuch, das
die Katastrophe vor uns verbergen soll, hat bereits Risse bekommen, und niemand
wird noch ernsthaft behaupten, dass er oder sie nichts davon wisse, nichts
damit zu tun habe oder nicht davon betroffen sei. Es geht also um eine nicht
ganz einfache Sache, die unsere weltweite Anstrengung verdient und benötigt,
denn es geht um nichts weniger als darum, wie es die Zapatistas formulieren,
diese Welt neu zu schaffen.
Mach mit
und bring Dich ein
Ist der
Zapatismus die große Antwort auf all die unerträglichen und unaufschiebbaren
Probleme dieser Welt? Natürlich nicht! Der Zapatismus ist vielmehr ein ganzer
Berg voller Fragen, und die geringfügigste Frage ist vielleicht auch die
beunruhigendste von allen: »…Du – was ist mit Dir?« Ein loses Netzwerk von
politischen und zivilgesellschaftlichen Aktivist*innen hat die Zapatistas auch
nach Österreich eingeladen, um mit ihnen zu diskutieren, zu tanzen, zu feiern
und zu beratschlagen. Bisher haben Gruppen, Initiativen, Kollektive und Einzelpersonen
aus allen Bundesländern Einladungen an die zapatistischen Delegierten
ausgesprochen. Geplant sind soziale, politische und kulturelle Begegnungen,
Treffen und Veranstaltungen in Innsbruck, Salzburg, Linz, Graz, Wien,
Burgenland und Kärnten – mit den Zapatistas, sobald sie eben da sind. Aber
selbstverständlich gibt es schon vorher viele Debatten und Ereignisse (zapalotta.org/events),
um die Fragen der Zapatistas zu vervielfältigen, und um uns gemeinsam auf die
Suche nach Antworten zu machen. Wie lassen sich die zapatistischen Ideen und
Praktiken von einem selbstverwalteten, nachhaltigen, gerechten,
gleichberechtigten und würdevollen Leben für alle auf dem einzigen Planeten,
den wir eben haben, aufgreifen zur Weiterentwicklung von widerständischen Netzwerken,
um die dringend notwendigen Änderungen lokal, regional und global
voranzubringen?
Wir sind
ein offenes Netzwerk
und neue
Mitwirkende sind immer herzlich willkommen. Unsere Kommunikation passiert großteils
zweisprachig auf Deutsch und Spanisch, und es gibt auch ein spanischsprachiges
Netzwerk, das unsere Aktivitäten mitträgt und verstärkt.
Nähere
Auskünfte, Verlautbarungen, Programme und Initiativen finden sich hier:
https://www.facebook.com/Zapalotta
(deutsch)
https://www.facebook.com/CompasZapatistas
(spanisch)
https://www.instagram.com/zapalotta_zapatour/
(deutsch)
https://www.instagram.com/compas_zapatistas/
(spanisch)
Euer ERFRIBENDER