Die Heilung der Partnerschaft
ProVisions
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08.01.2023
/ Oliver Wittwer / PDF
GesellschaftAnalysenMotivation
In der
heutigen Gesellschaft werden Jungs meistens von ihren Müttern grossgezogen. Mütter,
die es gewohnt sind, für die ganze Familie, oder zumindest für viele Aspekte im
Leben der Familie, die Verantwortung zu übernehmen. Sie schmeissen fast alles.
Sie kümmern sich um die Kinder, um den Hund, die Katze, die Schule, Termine,
das soziale Gefüge. Manchmal müssen sie sogar noch einem Job nachgehen. Und oft
haben sie noch einen Jungen, noch ein Kind, ihren Mann, den sie auch noch
führen und managen müssen. Ja, seinen Job bei der Arbeit kriegt er in der Regel
selbständig hin. Doch zu Hause verhält er sich wie ein kleiner Bub. Man
muss ihm alles unter die Nase reiben, ihm Aufgaben zuteilen, ihn auffordern,
dieses oder jenes zu tun.
Ein
krasser Job, wenn man sich dies vor Augen führt. Und dann muss die Frau
manchmal sogar noch die Mutter-Rolle für ihren Mann übernehmen. Da
verstehe ich es total, dass Frauen mit so einer Last oft am Ende sind, und sich
da eine grosse Menge Wut und Frustration aufstaut.
Liebe
Frauen, ihr habt es so gelernt. Eure Mütter haben es euch vorgemacht. Eure
Väter waren nicht da. Sie waren den ganzen Tag weg, und am Abend habt ihr auch
kaum etwas von ihnen gespürt. Sie waren nicht für euch da. Ihr habt gelernt,
dass man nicht auf Männer zählen kann. Und dass sie am besten zu handlen sind,
wenn man sie führt, sie dominiert, und sie am besten gleich wie eines der
eigenen Kinder behandelt.
Denn so
habt ihr es, habt ihr sie im Griff. So habt ihr die Kontrolle. So seid ihr es
gewohnt. Es fühlt sich zwar irgendwie beschissen an, doch zumindest könnt ihr
euch damit trösten, dass ihr den Laden erfolgreich schmeisst und ihn zusammen
haltet. Zugegeben, ein schwacher Trost.
Doch die
Krux dabei ist, dass ihr es so gewohnt seid, in der männlichen Dominanz, oder
auch in der Mutterrolle, zu agieren. Ihr könnt es euch gar nicht vorstellen, wie
es anders sein könnte. Jedes Abweichen oder Ausbrechen eures Partners aus
diesem Konstrukt wird von euch als Bedrohung empfunden. Er verhält sich
plötzlich anders? Er widersprich plötzlich? Er funktioniert nicht mehr wie
gewohnt? Ja nicht, auf keinen Fall! Dann könnte das Gefüge, für das ihr euch
verantwortlich fühlt, auseinanderbrechen. Zu gross erscheint die Gefahr, dass
dies passieren könnte. Zu gross die Angst vor dem Kontrollverlust, den ihr
erleiden könntet. Zu gefährlich, wenn plötzlich alles aus dem Ruder laufen
würde. Schliesslich trägt ihr ja die ganze Verantwortung dafür.
Doch
versetzt euch bitte einmal in eure Männer hinein. Wie hätten sie überhaupt
lernen können, wie man sich in der Rolle eines Mannes verhält? Wie man
Verantwortung in der Partnerschaft, im Miteinander, übernimmt? Wie man zu sich
steht? Wie man sich authentisch zeigt? Wie sollte ein Mann lernen, zu seinen
Gefühlen zu stehen in einer Welt, wo dies immer noch als Schwäche, als Makel,
empfunden und bewertet wird?
Wie
sollte euer Mann es überhaupt schaffen, sich in sein gesundes, authentisches
Sein hinein zu entwickeln? Wenn ihr dies unterdrückt. Wenn ihr es gewohnt seid,
dass ihr ihn so leicht kontrollieren und dominieren könnt?
Das ist
keine Schuldzuweisung. Ich verstehe euch. Ich fühle eure Last. Und ich
wünsche euch von Herzen, dass ihr sie ablegen könnt. Dass ihr gemeinsam mit
eurem Partner in wahrer Stärke, Klarheit, Weichheit, Sanftheit, Grösse,
authentisch und frei miteinander euch von dieser Last befreien könnt. Dass ihr
alles Unnötige beiseite legt, und das, was bleibt, gemeinsamt tragen könnt.
Tragen wollt. Dass ihr euch bewusst werdet, dass ihr beide noch unerlöste
Anteile in euch trägt. Dass ihr beide noch verletzlich wart, und das auch sein
dürft. Dass ihr beide der Heilung bedürft. Und dass ihr euch gegenseitig bei
der Heilung unterstützen könnt. Unterstützen wollt.
Männer,
ihr dürft zu euren Gefühlen stehen. Ihr dürft auch einmal schwach sein. Denn
solange ihr eure Schwächen und Ängste verdrängt und versteckt, könnt ihr nicht
wahrhaftig stark in euch ruhen, und aus dieser Stärke und Ganzheit heraus
wirken. Drückt es aus, eurer Frau gegenüber, wie ihr euch fühlt. Lernt, darüber
zu sprechen. Doch missbraucht eure Frauen dabei nicht, indem ihr in die Baby-
oder in die Opferrolle schlüpft und euch wiegen lässt. Sprecht einfach aus, was
euch bewegt. Was ihr fühlt. Wie ihr damit umzugehen gedenkt. Doch fragt eure
Frau, ob ihr euch mitteilen dürft. Ob sie bereit ist, einfach zuzuhören,
wahrzunehmen, ohne Ratschläge zu verteilen, ohne ihr "Besserwissen"
auszudrücken, einfach präsent zu sein?
Frauen,
erkennt, dass ihr es eurem Mann bisher gar nicht erlaubt habt, in die
Verantwortung zu gehen. Es zu lernen. Zu lernen, was es bedeutet, ein ganzer
Mensch zu sein. Reflexartig habt ihr solche Impulse unterdrückt, zurückgewiesen
aus Angst, die Kontrolle zu verlieren. Als Frau habt ihr eine ungeheure
emotionale Macht. Und ihr habt sie für die Kontrolle eingesetzt. Ich verstehe
es. Es ist keine Schuldzuweisung. Doch auf diese Weise wird nie Heilung
geschehen.
Erkennt,
dass ihr, wenn ihr gegenüber eurem Mann in die Mutterrolle schlüpft, oder in
die kontrollierende Energie, ihr euren Mann entmündigt. Immer und immer wieder.
Ihr nehmt ihm seine Verantwortung ab. Ihr reisst sie an euch. Ihr übernehmt,
aus Angst und innerem Zwang geleitet, seine Aufgaben. So kann er sie gar nicht
selber wahrnehmen. Sie ist ja bei euch. Ihr habt sie auf euch genommen. Ihm,
ohne ihn zu fragen, abgenommen.
Liebe
Frauen, übernehmt die volle Verantwortung für euch selber, ganz zu euch zu
stehen. Auch ihr seid es gewohnt, schnell den anderen zu beschuldigen. Ihm
Vorwürfe zu machen. Habt den Mut, eure Gefühle auszudrücken. Fragt euren Mann,
ob ihr einfach einmal eure Gefühle ausdrücken dürft. Ob er bereit ist, einfach
zuzuhören, urteilsfrei. Euch wahrzunehmen. Ohne Ratschläge zu erteilen. Traut
es ihm zu. Vertraut ihm. Und erwartet dabei nicht, dass er es gleich beim
ersten Mal meistern wird. Doch er wird es lernen. Er wird spüren, dass auch er
ein Teil des sozialen Gefüges in der Familie, in der Partnerschaft, sein kann.
Und er wird spüren, wie sehr er sich danach gesehnt hat, diesen lange
unterdrückten Teil von sich wieder zum Leben zu erwecken. Wie sehr er sich danach
sehnt, dass er sein Herz zeigen darf, das im Grunde schon immer für die
Familie, für die Partnerschaft schlägt.
Frau, Mann, lasst die männliche Dominanz hinter euch. Diese Zeit ist vorbei. Lasst die Opferrolle hinter euch. Die Opferrolle, in die du, Frau, in die du, Mann, so gerne geschlüpft seid, als trauriger und billiger Trost. Erhebt euch zum wahren Menschsein. Nehmt euch an die Hand. Habt Verständnis für eure Wunden, für eure Ängste, für eure Schwächen. Stützt euch, aber lernt wieder, als wahrhaftiger Mensch selber zu gehen. Dafür seid ihr da. Dafür seid ihr füreinander da. Um gemeinsam zu heilen.
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